Die finanzielle Lage der Stadt Neuss gibt weiterhin Anlass zur Sorge, wie eine Analyse von Prof. Dr. Harald Schoelen im Auftrag der Industrie- und Handelskammer (IHK) Mittlerer Niederrhein zeigt. Insbesondere im Sozial- und Jugendbereich zeichnen sich nachhaltige Verschlechterungen ab, und das bestehende strukturelle Ergebnisdefizit könnte sich weiter verschärfen. Trotz erwarteter Gewerbesteuermehrerträge im Jahr 2023 besteht die Gefahr, dass die Stadt in den kommenden Jahren in die Haushaltssicherung geraten könnte.
Die IHK begrüßt das im Frühjahr vorgestellte Haushaltskonsolidierungskonzept der Stadt, betont jedoch, dass noch verstärkte Anstrengungen notwendig sind. Jürgen Steinmetz, Hauptgeschäftsführer der IHK, erklärt: „Einiges wird bereits umgesetzt, aber gerade bei so wichtigen Punkten wie der Neuausweisung von Gewerbeflächen und der interkommunalen Kooperation erwarten wir im kommenden Jahr Ergebnisse.“
Die Zahlen aus dem Haushaltsplanentwurf im September verdeutlichen die Herausforderungen. Das Gesamtergebnis bleibt im mittelfristigen Finanzplanungszeitraum im zweistelligen Millionenbereich negativ.
Obwohl das Minus für das Jahr 2024 aufgrund von Aktualisierungen von über 60 Millionen auf rund 50 Millionen Euro gesunken ist, mahnt Schoelen zu einer verstärkten Aufgabenkritik und Konsolidierung, um einen wiederholten Verbrauch der allgemeinen Rücklage zu vermeiden.
Positiv entwickelt sich hingegen die Ertragssituation, vornehmlich durch die Gewerbesteuereinnahmen. Die Neusser Wirtschaft leistet einen Beitrag zur finanziellen Autonomie der Stadt. Dennoch warnt die IHK angesichts der schwierigen Wirtschaftslage davor, dass die lahmende Konjunktur langfristig auch die Gewerbesteuereinnahmen beeinflussen könnte, insbesondere in der energieintensiven Industrie.
Die Stadtverwaltung hat im Frühjahr ein freiwilliges Haushaltskonsolidierungskonzept veröffentlicht, doch Schoelen betont, dass die aktuellen Ausgaben, vorrangig im Sozial- und Jugendbereich, die Konsolidierungsbemühungen übersteigen. Die IHK drängt auf intensivierte Anstrengungen und eine beschleunigte Umsetzung von Maßnahmen, speziell im Bereich interkommunaler Kooperation und der Neuausweisung von Gewerbeflächen.
Eine Ankündigung der Stadt, 100 Hektar Gewerbeflächen zu entwickeln und steuerstarke Unternehmen anzuziehen, unterstützt die IHK. Sie fordert jedoch konkrete Ergebnisse bis 2024 und ein ambitionierteres Vorgehen, um die Steuereinnahmekraft und die Beschäftigungslage in Neuss langfristig zu sichern.